Weiß sein in Togo
Am 20. Februar ist genau die Hälfte meiner Zeit hier in Togo vergangen.
Ich fühle mich zwar angekommen und auch zuhause, aber irgendwie trotzdem nicht so, als würde ich hier hin gehören. Ich glaube, egal wie lange ich in Togo bleiben würde, ich würde mich niemals ganz so fühlen, als gehörte ich hier her.
Das liegt an meiner Hautfarbe. Denn ob man es will oder nicht, als Weiße Person fällt man hier extrem auf.
Jeden Tag rufen mir die Kinder „Yovo“ („Weiße“) hinterher, ich werde ständig von Leuten angesprochen und nach meiner Nummer oder einem Foto gefragt, und auch Heiratsanträge sind nicht selten ;)
Auch sich mal in Ruhe draußen irgendwo hinzusetzen oder spazieren zu gehen, ohne mit anderen Menschen zu reden, ist quasi unmöglich.
Heute möchte ich ein bisschen auf das Thema „Weiß sein in Togo“ eingehen, also wie es sich für mich anfühlt und was ich erlebe. Hierbei ist wichtig zu sagen, dass ich nur aus meiner deutschen, sehr privilegierten Perspektive schreibe und einzig meine ganz persönlichen Erfahrungen teilen kann, die keinesfalls allgemeingültig sind.
Auch wenn das im ersten Moment lustig erscheint, hier so aufzufallen, kann das auch etwas anstrengend sein.
Zum Beispiel, wenn fremde Leute unbedingt mit mir reden wollen und ein „Nein“ nicht akzeptieren, bin ich schon manchmal genervt, oder wenn ich „unauffällig“ von Fremden fotografiert werde und die Fotos danach im Internet landen.
Aber im Allgemeinen stört mich das Interesse der Leute nicht so stark. Vor allem bei den Kindern kann ich es sehr verstehen, wenn sie neugierig sind, da man hier wirklich selten Weiße Personen trifft.
Mit der Zeit gewöhnt man sich ein bisschen daran, aber das Gefühl, fremd zu sein besteht.
Der Hintergrund für dieses Interesse der Togolesen an Weißen Personen, macht mich allerdings sehr nachdenklich.
Denn während unseres Seminars in Ghana, hat uns ein Ghanae erklärt, dass Weiße in vielen Ländern Afrikas als reich, perfekt und als überlegen angesehen werden. Manche Menschen assoziieren Weiße sogar mit eine Art Gott und wollen deswegen unbedingt mit ihnen reden und sich mit ihnen anfreunden.
Dadurch wird man als Weiße Person auch oft besser bzw. bevorzugt behandelt, z.B. kommt man manchmal im Restaurant oder in Ämtern schneller dran.
So ist es aber auch immer schwierig zu unterscheiden, ob Leute wirklich mit mir befreundet sein wollen, weil sie mich als Person mögen, oder aufgrund meiner Hautfarbe. Und meistens ist es zweiteres.
Außerdem wird ständig über mich geredet, wenn ich daneben stehe, so als wäre ich nicht dabei und könnte nichts verstehen. Anstatt meinen Namen zu sagen werde ich dann nur als „la blanche“ („die Weiße“) oder „Yovo“ bezeichnet, auch von Personen, die meinen Namen eigentlich kennen oder einfach nachfragen könnten. Das stört mich dann schon ziemlich, weil ich das Gefühl habe, die Leute würden ausschließlich meine Hautfarbe sehen und hätten garkein Interesse, auch meinen Charakter kennenzulernen.
Das klingt jetzt vielleicht etwas extrem und deswegen möchte ich hier einmal betonen, dass es niemals Rassismus gegen Weiße gibt.
Im Gegensatz zu Schwarzen, die in z.B. Deutschland leben, werde ich ja nicht aufgrund meines Aussehens schlechter behandelt, sondern gerade besser.
(Das Wort „Weiß“ beschreibt dabei nicht die Farbe Weiß, sondern es steht für Menschen, die nicht aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Herkunft rassistisch diskriminiert werden).
Vor Togo habe ich mir noch nie richtig Gedanken über meine Hautfarbe gemacht. Natürlich waren mir meine Privilegien bewusst, die mir meine Hautfarbe gibt, aber mir war nie klar, wie ich von anderen Menschen gesehen werde.
Ich kann mir garnicht vorstellen, wie es für Schwarze in Deutschland sein muss, wo sie so auffallen wie ich hier, aber genau die umgekehrte Reaktion der Menschen erfahren. Wenn ich hier schon genervt von meinem „positiven Auffallen“ bin, wie muss es dann erst sein im „negativen Sinne“ aufzufallen.
Ich denke oft daran, dass jeder von meinen togolesischen Freunden, wenn er nach Deutschland reisen würden, dort sicherlich irgendwann, in irgendeiner Weise aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert werden würde.
Ich finde diese Vorstellung, dass jemand der in seinem Heimatland noch nie Berührpunkte mit Rassismus hatte, bei der Ankunft in ein anderes Land, plötzlich einfach aufgrund seines Aussehens und seiner Herkunft von seinem Umfeld schlechter behandelt werden würde, einfach nur schrecklich.
Ein Freund aus Togo hat mich einmal gefragt, ob in Deutschland alle Leute rassistisch seien.
Ehrlich gesagt wusste ich nicht, was ich darauf antworten sollte. Obwohl natürlich meine erste Intention war, ihm zu widersprechen und zu sagen, dass die meisten Deutschen keine Rassisten sind, habe ich beim weiteren Nachdenken gemerkt, dass das eigentlich nicht stimmen kann.
Wir sind alle in einem durchweg rassistischen System aufgewachsen, in dem Schwarze erwiesenermaßen schlechter behandelt werden, sei es im Job, bei der Wohnungssuche oder einfach im Alltag. Wenn man mit diesen Strukturen aufwächst, ist es dann überhaupt möglich, wirklich vollkommen „nicht-rassistisch“ zu sein? Ich glaube nicht.
Ich glaube, um nicht rassistisch zu handeln oder zu denken, muss man nicht nur „nicht-rassistisch“ sein, sondern sich aktiv gegen den Rassismus in einem und um einen herum einsetzen.
Ich denke es ist klar, dass dazu jeder in seinem Alltag einige Sachen einfach sein lassen soll, wie z.B. das N-Wort zu benutzen, oder anderen Menschen mit Vorurteilen zu begegnen.
Aber darüber hinaus ist sehr wichtig, sich weiterzubilden, indem man sich mit der Kolonialgeschichte und den Erfahrungen von Personen beschäftigt, die Rassismus erfahren, auch wenn man als Weiße Person nie nachvollziehen können wird, wie es ist, rassistisch diskriminiert zu werden.
Außerdem kann man auf Demonstrationen wie „Black Lives Matter“ gehen, Zivilcourage bei Diskriminierung im Alltag zeigen, gegen Ungerechtigkeiten vorgehen und vor allem sich immer wieder bei Betroffenen informieren.
Mir war es sehr wichtig, dieses ernstere Thema in meinem Blog anzusprechen, da es für mich auch zu der Realität meines Freiwilligendienstes gehört.
Ich als Weiße kann nur sehr wenig zu dem Thema beitragen und in keinster Weise verstehen oder beschreiben, wie es ist, Diskriminierung oder Rassismus zu erfahren. Und nur weil ich gerade in Togo bin, kenne ich mich auch nicht mehr damit aus, als andere. Ich habe einfach versucht, etwas die Dinge zu beschreiben, die ich gerade so fühle und erlebe.
Wir sind doch alle einfach Menschen. Und wir leben schon so lange auf dieser Erde. Wie traurig ist es, dass wir uns heute immer noch mit Themen wie Rassismus beschäftigen müssen.
Seid lieb zueinander!
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