Über Armut und falsche Unabhängigkeit



Bis jetzt habe ich hier in meinem Blog meistens von den schönen Seiten Togos gesprochen, die mich begeistern und mich das Land lieben lassen.

Andererseits bekomme ich auch immer mehr Dinge mit, die nicht unbedingt positiv sind. 

Togo gehört zu den Ländern des Globalen Südens und ist damit ein politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich benachteiligter Staat. Das hängt auch mit der Jahrhundertelange Ausbeutung der europäischen Kolonialgeschichte und den daraus hervorgegangenen globalen Machtstrukturen zusammen. Sie haben sich über Jahrhunderte verfestigt und zu einseitigen Abhängigkeiten geführt. 


„Afrika war nie arm - es wurde arm gemacht.“


Ein Beispiel der kolonialen Relikte ist die Währung „CFA-Franc“ („Franc de la Communauté Financière d'Afrique“), die es in Togo und in 13 anderen afrikanischen Ländern gibt.

Die Bankknoten werden ausschließlich in Frankreich gedruckt und der CFA-Franc ist fest an den Euro gebunden, wodurch er nicht an die westafrikanische Wirtschaftsleistung angepasst ist. Frankreich hat das alleinige Recht, die Währung auf- oder abzuwerten

Dadurch wird eine Dynamik erzeugt, die es für die CFA-Staaten fast unmöglich macht, eine erfolgreiche Industrie aufzubauen. Knapp 60 Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit, verfügen die CFA-Staaten immer noch nicht über währungspolitische Souveränität. 


Jedoch scheinen weder Afrikas Eliten, noch Frankreich Interesse daran zu haben, das CFA-Bündnis aufzulösen.

Für die Elite (z.B. Politiker) lohnt sich der CFA und sie möchte nicht das System ändern, das sie reich gemacht hat. 

Auf der anderen Seite profitiert Frankreich von der CFA-Währung. Denn bis heute gelten Verträge zwischen Frankreich und den CFA-Staaten. Sie wurden mit der Erklärung der Unabhängigkeit geschlossen und gewährleisten französischen Unternehmen das Vorkaufsrecht zu Ressourcen wie Öl oder Gas. 

So verkaufen die afrikanischen Länder diese Ressourcen an Frankreich weit unter den Weltmarktparktpreisen.

Dadurch machen die Exportländer mehr Verluste als Einnahmen, es herrscht ein ständiges Außenhandelsdefizit und es kommt zu hohen Schulden. Jedes Jahr müssen die CFA-Staaten so Milliarden nach Europa überweisen, als Zinsen auf das geliehene Geld.


Dies macht den CFA zu einem sichtbaren Symbol fortgesetz­ter postkolonialer Einflussnahme.

Auch wenn andere Faktoren, wie Krankheit, Klimawandel und politische Krisen, zur Förderung der Armut beitragen, bildet die Mischung aus kolonialer Kontinuität und wirtschaftlicher Ausbeutung von Frankreichs Seite und Korruption, Misswirtschaft und dem Ausverkauf von Rohstoffen durch lokale Eliten auf der anderen Seite, die Grundlage für die Armut in Togo und den anderen ehemaligen französischen Kolonien.


Doch wie sieht diese „Armut“ überhaupt aus?


Damit zu meinen persönlichen Erfahrungen: 


(Bitte bedenkt, dass ich hier nur meine Beobachtungen teile und dabei aus der Perspektive einer deutschen, sehr privilegierten Person schreibe. Ich sehe mich dabei nicht in der Position, etwas zu bewerten oder einzuordnen, da mir dazu das Hintergrundwissen fehlt. Ich versuche nur zu erzählen, was ich von Togo mitbekomme).


Je mehr Zeit ich in Togo verbringe, desto mehr bekomme ich von Themen wie Armut, Hunger oder Perspektivlosigkeit mit. 

Bevor ich hierher gekommen bin, habe ich mir bewusst nur wenig Gedanken, über das Thema „Armut“ gemacht, da ich nicht mit Vorurteilen in das Jahr starten wollte.

Angekommen in der Hauptstadt Lomé hatte ich auch zunächst nicht das Gefühl, von der Armut schockiert bzw. extrem damit konfrontiert zu werden. Auch wenn es natürlich anders als in Deutschland ist: 

viele Straßen sind nicht asphaltiert, die Häuser sind sehr einfach und oft baufällig und auf der Straße wird man von Kindern angesprochen, die nach Geld fragen. Doch bis auf diese offensichtlichen Aspekte hatte ich bis dahin nicht das Gefühlt, viel von der Armut der Menschen mitzukriegen.


Erst als ich dann nach Atakpamé gekommen bin, hat mich das Thema Armut plötzlich sehr getroffen. 

Durch den Kontakt zu Freunden und Kindern, habe ich mehr gemerkt, wie es einigen Leuten hier geht und wie sie leben.

Das ist in ganz alltäglichen Situationen passiert. Wenn plötzlich Sätze fallen, wie „heute esse ich nichts mehr zu Abend, ich habe kein Geld mehr“, wenn Freunde mir erzählen, dass sie ihre Uni- oder Schulgebühren nicht mehr zahlen können oder wenn jemand nicht in Krankenhaus geht, weil er die Behandlung nicht bezahlen kann. 

Auch die Frage, ob man mich mit nach Deutschland begleiten kann, wird mir häufig gestellt. Im ersten Moment nur als Spaß, aber dann doch irgendwie ernst gemeint. Sogar von einer Mutter wurde ich einmal gebeten, ihre zehnjährige Tochter mit nach Deutschland  zu nehmen. Und für sie war es kein Spaß.

Deutschland, Europa oder Amerika werden mit Reichtum verbunden. Als Hoffnung und Rettung. Als Flucht aus dem aktuellen Leben.

Ein Autofahrer hat es mir einmal mit der Aussage „Bei euch ist es gut. Hier gibt es nur Leid“ zusammengefasst. 


Was fast genauso schlimm wie die Armut ist, ist die Perspektivlosigkeit. Viele gehen zur Universität, um dort wahllos irgendetwas zu studieren, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was sie danach machen werden.

Denn das „danach“ ist genauso unsicher wie das „davor“. Selbst mit abgeschlossenem Studium ist es sehr schwierig eine gute Arbeit zu finden. Hat man keine Kontakte, die einen weiterempfehlen, ist es quasi unmöglich, bei einem guten Arbeitgeber angenommen zu werden. 

Auch Ausbildungen sind alles andere als einfach. Anders als in Deutschland verdient man während der Ausbildung kein Geld, sondern man muss dafür bezahlen. Genauso wie für Praktika oder Fortbildungen. 

Alles kostet Geld. Geld, das bei vielen Leuten nicht vorhanden ist. 

So entsteht die Hoffnung auf ein besseres Leben im Ausland. 

Überall in Lomé hängen Werbeplakate für Deutschkurse oder für Arbeitsvermittlung in Ausland. Außerdem gibt es Lotterien, die ein angebliches Visum für z.B. Deutschland als Gewinn anpreisen. Es entsteht der Eindruck, als würden alle nur weg wollen. 


Hier wird mir immer wieder erzählt, dass von 8 Millionen Togolesinnen und Togolesen nur eine Million Arbeit haben. Obwohl das wahrscheinlich nicht unbedingt stimmt, fühlt es sich auf jeden Fall so an. 


Auch wenn alles was ich geschrieben habe, für viele vielleicht sehr schockierend klingt, möchte ich mit diesem Eintrag kein falsches Bild von Togo vermitteln. Es kann schnell der Eindruck von einem Land entstehen, das sich ausschließlich durch seine Armut definiert. Aber Togo so viel mehr als das. Es ist ein wunderschönes Land mit tollen Menschen und die Armut ist nunmal ein Teil davon. Sie gehört zu den Erfahrungen, die ich hier mache und deshalb habe ich mich entschieden darüber zu schreiben. 


Und noch ein kleiner Nachtrag


„Geld macht nicht glücklich.“  Das habe ich in Deutschland oft gehört und es mir auch oft gesagt.

Doch hier habe ich etwas anderes gelernt. Geld macht glücklich. Sehr sogar. 

Das heißt nicht, dass hier alle unglücklich sind, weil sie nur wenig Geld zur Verfügung haben. Ich weiß nicht, ob es so ist und ich weiß nicht, ob viele Menschen vielleicht doch total zufrieden mit ihrem Leben hier sind. 

Aber ich möchte von dem romantisierten Gedanken wegkommen, dass Geld im Leben unwichtig sei.

Für viele Menschen, die ich hier kennengelernt ist das Leben alles andere als einfach und das liegt meistens an Geldproblemen.


Was möchte ich damit sagen? 


Seid dankbar für das Leben, das ihr habt. Jeden Tag. Natürlich haben auch Menschen in Deutschland Probleme und ich möchte diese garnicht mit den Problemen in Togo vergleichen oder sie gegeneinander aufspielen.

Trotzdem glaube ich, dass das Leben in Deutschland um einiges leichter ist.


Wenn Menschen aus Ländern Afrikas oder anderen Ländern des Globalen Südens nach Deutschland kommen, dann tun sie das nicht aus Spaß. Sie tun es nicht um den Deutschen irgendetwas wegzunehmen oder mit anderen schlechten Absichten. Einzig mit dem Ziel auf ein besseres Leben.

Und solange Europa die Politik Frankreichs in der CFA-Zone mitträgt, wird auch Europa die Folgen dieser Politik in Form von Migration aus den frankophonen Teilen Afrikas mittragen müssen. 


Deshalb: Begegnet euren Mitmenschen mit Nächstenliebe und einem offenen Herzen. Seid dankbar, für das was ihr habt und macht es den Leuten, die nach Deutschland kommen, nicht noch schwerer, als es für sie sowieso schon ist; tretet ihnen mit offenen Armen entgegen :)

Danke



Hier nochmal sehr interessante Artikel über den CFA-Franc und Frankreichs Afrikapolitik:


https://www.deutschlandfunk.de/der-westafrikanische-franc-frankreich-und-der-unsichtbare-100.html


https://www.swp-berlin.org/10.18449/2022A62/



Und noch eine Buchempfehlung zu dem Thema: „Americanah“ von Chimamanda Ngozi Adichie 










 


 

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